Ansprache bei der Übergabe der Christusfigur an den Kostheimer Heimatverein
am 17. März 2018
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Collofong!
Zunächst möchte ich mich beim Vorstand des Heimatvereins für die Einladung herzlich bedanken.
Für Sie mag es aufschlussreich sein, zu erfahren, wie es zu der freundschaftlichen Beziehung
zwischen der Frau des Bildhauers, Maria Schmitt, und unserer Klostergemeinschaft gekommen ist.
Frau Schmitt kam seit dem Tod ihres Mannes 1955 regelmäßig zum Gottesdienst in die Karmeliterkirche.
Eine Begegnung an der Klosterpforte war da nicht mehr weit. Einer unserer Mitbrüder, der in jener Zeit
Pförtner war, pflegte den Kontakt zu ihr.
Ich erinnere mich noch gut, dass wir als Studenten Anfang der 60er Jahre sonntags öfter den
Drei-Brücken-Weg gegangen sind. So nannten wir den Weg. In Kastel, im damaligen Industriehof,
haben wir bei Frau Schmitt eine kleine Verschnaufpause eingelegt. Sie freute sich, wenn wir sonntags
wieder einmal vor ihrer Tür standen. Sie lud uns ein, hereinzukommen. Bei dieser Gelegenheit zeigte
sie uns auch einmal das Atelier ihres Mannes. Nach einem kurzen Aufenthalt zogen wir dann weiter.
Durch ihre Verbundenheit mit unserer Klostergemeinschaft waren wir bei ihr stets willkommen.
Zur Einweihung unseres neuen Klosters im Jahre 1965 schenkte Frau Schmitt uns einen Bronzeabguss
der Christusfigur, die sich seitdem im Eingangsbereich des Klosters befindet. Ein weiterer Bronzeabguss
hängt in der Friedhofskapelle des Mainzer Hauptfriedhofs.
Während des Rheinhochwassers im Februar 1970 wurde auch die Wohnung von Frau Schmitt überflutet
und unbewohnbar. Im Karmeliterkloster fand sie eine neue Bleibe bis sie wieder in ihre Wohnung
zurückkehren konnte. Als Dank übergab sie dem Karmeliterkloster einige Skulpturen. Dazu gehörte auch
das Model der Christusfigur.
Als ich 2004 wieder nach Mainz zurückkam, erfuhr ich bald, dass keiner der Mitbrüder mehr um die
Herkunft der Kunstwerke wusste. Diese Tatsache ist bedingt durch die Versetzungen, die innerhalb der
Ordensprovinz regelmäßig stattfinden. Von Dir, Franz Haus, erfuhr ich dann, dass der Kostheimer
Heimatverein an einer Sammlung der Kunstwerke des blinden Bildhauers Jakob Schmitt interessiert ist.
Das hat mich bewogen, seine Werke dem Heimatverein zu übergeben, damit sie für die Nachwelt erhalten
bleiben. Es sind folgende Werke: Die Marienfigur „Mutter mit Kind“, um 1938 geschaffen, kam 2006 hier
ins Heimatmuseum. Nach der Neugestaltung des Innenraumes unserer Klosterkirche im Jahre 2010
übergaben wir dem Heimatverein die Figur der heiligen Thérèse von Lisieux aus der Kirche wie auch
den Entenfänger (ohne Ente). Ein neuer Bronzeabguss des Entenfängers steht seit 1956 als
Brunnenfigur auf dem Flachsmarkt unweit der Pfarrkirche St. Peter.
Im vorigen Jahr 2017 übergaben wir dem Heimatverein die Figur „Lachendes Kind“, geschaffen 1918/19,
und eine kleinere Figur der heiligen Thérèse von Lisieux. Ebenso das Modell der Christusfigur. Es lag,
in mehrere Teile zerlegt, gut verpackt, im Turmzimmer am Aufgang des Turmes. Eines Tages wurde sie
entdeckt. Ich erkannte gleich die Herkunft dieser Christusfigur. Bald darauf habe ich mit dem Heimatverein,
bzw. mit Dir, Franz Haus, Kontakt aufgenommen. Ich konnte aber eine solch zerlegte Figur dem
Heimatmuseum nicht einfach übergeben. Daher bin ich dem Heimatverein sehr dankbar, dass er sich der
Christusfigur angenommen hat und sie durch die Diplom-Restauratorin, Birgit Schwahn aus Alzey, hat
restaurieren lassen. Auch Frau Birgit Schwahn danke ich für die gelungene Restaurierung und für die
Bilddokumentation der Christusfigur. Leider kann sie heute nicht dabei sein.
Frau Schmitt wollte diese Werke ihres Mannes für die Nachwelt erhalten. Das war ihr ein Herzensanliegen.
Beim künstlerischen Schaffen ihres Mannes ging sie ihm, wo es nötig war, zur Hand. Sie hat gesehen,
wie die Werke entstanden. Diese Zusammenarbeit hat die beiden noch tiefer miteinander verbunden.
Ich danke dem Kostheimer Heimatverein und allen, die sich dafür einsetzen, dass das künstlerische Erbe
Jakob Schmitts hier ausgestellt wird und so der Nachwelt erhalten bleibt.
Mit jedem Bild, das ein Künstler schafft, verbindet er auch eine inhaltliche Aussage. Nicht immer deutet
ein Künstler sein Werk. Oft überlässt er die Deutung dem Betrachter. So möchte ich hier einige meditative
Gedanken zu der Kreuzesdarstellung anfügen. Denn ich bin davon überzeugt, dass der Bildhauer Jakob
Schmitt mit dieser Christusfigur am Kreuz nicht nur ein Kunstwerk schaffen wollte, sondern ganz gewiss
auch dem Betrachter eine Botschaft mit auf den Weg geben wollte.
Wenn ich das Kreuz anschaue, fällt mir u.a. die Krone auf. Jakob Schmitt hat sie nicht als Dornenkrone
gestaltet. Die ganze Darstellung der Christusfigur weist in eine andere Richtung. Die Krone ist eine
Königskrone. Sie ist ein Hinweis darauf, dass der Künstler mit dem Tod des Gekreuzigten auch bereits
seine Auferstehung andeuten wollte.
So gibt Jesus dem Pilatus auf seine Frage nach seinem Königtum zur Antwort: „Ich bin ein König. Ich
bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder,
der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37) Und gerade in dieser Zeit vor Ostern
singen wir im Gottesdienst vor dem Evangelium den Kehrvers: „Lob dir, Christus, König und Erlöser.“
(Gotteslob 584,9)
Auch fallen mir die ausgestreckten Arme des Gekreuzigten auf - zum Zeichen dafür, dass er mit seinen
weit ausgebreiteten Armen die ganze Welt und alle Menschen umfangen will. Dazu ist er von Gott,
seinem Vater, in die Welt gesandt. Er hat es uns verheißen: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde
ich alle an mich ziehen.“ (Joh 12,32) Der gekreuzigte und auferstandene Herr schaut nicht nach unten
zur Erde sondern in die Weite, durch die Zeiten hindurch, auch zu uns.
Das Holzkreuz, an dem die Christusgestalt befestigt ist, hat die Form des Tau. Das Tau ist der letzte
Buchstabe des griechischen Alphabets. Es hat für uns Christen eine besondere Bedeutung. Es gilt als
Zeichen der Erlösung durch Jesus Christus, der durch seine Lebenshingabe am Holz des Kreuzes uns
„Zukunft und Hoffnung“ (Jer 29,11) gibt. Daran erinnern wir uns wieder dankbar, wenn wir in Kürze
Karfreitag und das Osterfest, das Fest der Auferstehung des Herrn, begehen.
Ich möchte schließen mit dem Wunsch, dass jedem, der vor diesem Jesus Christus am Kreuz einen
Augenblick innehält und ihn in Stille anschaut, in seinem Herzen aufgehen möge, dass Jesus Christus
auch ihn anschaut.
P. Martin Segers O. Carm.
Karmeliterstr. 7
55116 Mainz