GEDANKEN AUS ANLASS DER VERNISSAGE ZUR KUNST-
AUSSTELLUNG „BLICK IN DIE WELT“ (KÜNSTLERIN ANNETTE GUT)
AM 2.9.2023 UM 16 UHR IM KOSTHEIMER HEIMATMUSEUM
„Blick in die Welt“ und das Kostheimer Heimatmuseum; wie passt das zusammen?
Dazu machte ich mir einige Gedanken.
Ich nehme das Ergebnis meiner Überlegungen vorweg: Titel und Ort der Ausstellung
passen hervorragend zusammen. Die kleinformatigen Kunstwerke in leuchtenden
Farben von Annette Gut entstanden überwiegend während ihrer Aufenthalte auf der
Insel Teneriffa und vermitteln einen positiven Blick auf die Welt. Sie fügen sich gut
in die Ausstellung historischer Exponate des Museums ein. Bei einem Rundgang
durch die Museumsräume stellt man sehr rasch fest, dass jede(r) durch die
Wahrnehmung der Kostheimer Geschichte und die Lage des Ortes einen Blick
in die Welt aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln erhält.
Kostheims geografische Lage am Main bietet sich geradezu für einen Blick in die
Ferne an; vorbeifahrende Schiffe verbinden seit langer Zeit Städte und Länder.
Flößer versorgten Holzhandlungen und Sägewerke in Kostheim mit Material und
machten sich dann weiter auf den Weg bis in die Niederlande.
(Flößerraum)
Historisch betrachtet, schauten die Leute an der Mainmündung sehr oft
gezwungenermaßen in die Welt. Dies begann vor 2000 Jahren, als die Römer an
den Rhein und Main kamen. Menschen, die hier angesiedelt waren, haben bestimmt
mit Staunen und wahrscheinlich auch Ängsten die römischen Soldaten wahr-
genommen. (Exponate im Römerzimmer)
Ende des 8. Jahrhunderts kamen die Franken in unsere Gegend. Sie sahen wohl
die geografische Schönheit, aber auch die militärischen und wirtschaftlichen
Vorteile. Dies führte zur Ortsgründung Kostheims (damals copsistaino genannt),
für die Bevölkerung wohl ein Fortschritt. Der Frankenherrscher Karl der Große
(„ Vater Europas „) unterzeichnete die Gründungsurkunde.
( Kopie der Urkunde im Fahnenzimmer)
Im Jahre 1184 bewunderten die Einwohner Kostheims mit großen Augen den
Tross Friedrich Barbarossas mit tausenden Rittern aus ganz Europa, die zum
Reichsfest des Kaisers nach Mainz und zur Maarau gekommen waren. Man
blickte auf die außergewöhnliche Welt des europäischen Rittertums.
(Model der Barbarossasäule im Fahnenzimmer)
Zur Zeit der französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons I. geriet
Kostheim in den Blickwinkel Frankreichs. Adam Lux, ein Revolutionär, der sich mit
seiner Familie in Kostheim niedergelassen hatte und Mitglied des Mainzer
Jakobinerklubs war, wurde während seines Aufenthalts in Paris während der
Schreckensherrschaft der Jakobiner 1793 hingerichtet.
(Informationstext im Kostheimer Zimmer)
Napoleon I. zog mehrmals bei seinen Ortsdurchquerungen den Blick der
Kostheimer Bevölkerung auf sich, die hofften vor den Plünderungen durch die
französischen Soldaten verschont zu werden. Sie betrachteten die Franzosen
wohl mit Furcht und Misstrauen. Napoleon zeigte sich allerdings im Jahre 1808 von
seiner großzügigen Seite und beschloss für Kostheim eine Steuerbefreiung für
15 Jahre. Ein Lichtblick für Kostheim! Allen Verboten zum Trotz feierte der
Kostheimer Pfarrer Henrich nach dem Tod Napoleons 1821 ein Requiem zu dessen
Ehren. Napoleon III. belohnte dieses Verhalten mit der Ernennung des Pfarrers zum
Ritter der französischen Ehrenlegion. (Urkunde im Museum vorhanden)
Zum Abschluss möchte ich hervorheben, dass das Heimatmuseum auch Exponate
zeigt, die sehr versöhnliche Blicke aus Kostheim in die Welt senden: die Skulpturen
des durch Kriegsverletzungen erblindeten Bildhauers Jakob Schmitt
(z.B. „Der lachende Knabe“) und die Werke von Pater Franz-Josef Ludwig
(z.B. „Les Adieux“). Wunderschöne Beispiele für einen „Blick in die Welt“,
geprägt von Friedensliebe und Toleranz!
TEXT: SIGRID GEBHARDT