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STADTGESCHICHTE MAINZ
       Kaufmann, Reeder,
             Industrieller
                                                                Das Leben von Hubert Anton Disch
                                                                                                    VON VOLKER BEECK
 

Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts sind in Mainz und seinen Nachbargemeinden zahlreiche
Unternehmengegründet worden. Einige von ihnen existieren heute noch, andere bestehen nicht
mehr oder haben sichstark verändert. Häufig sind die Gründungen von einzelnen Unternehmer-
persönlichkeiten betrieben worden.Zu ihnen zählt der 1821 in Rees (Rheinpreußen) geborene
Hubert Anton Disch. Er wirkte als Kaufmann,Reeder und Industrieller. Zum Lebensmittelpunkt
wählte er die Stadt Mainz. Dort lebte er mit seiner Familie und entfaltete vielfältige
unternehmerische Aktivitäten.
Seine Lebensstationen sollen hier nachgezeichnet werden. Dabei sind die Parallelen zu heutigen
Unternehmensgründern von besonderem Interesse. In der Vita des Hubert Anton Disch lassen
sich Faktoren erkennen, die ebenso für den Erfolg gegenwärtiger Unternehmensgründungen
ausschlaggebend sind.
 
Herkunft und eigene Familie
Hubert Anton Disch wurde am 25. Oktober 1821 als drittes von fünf Kindern des Kaufmanns
Johannes HeinrichDisch (1789—1871) und seiner Frau Hendrina geb. Awater (1786—1860)
geboren. Er hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Am 26. Oktober 1821 in der Kirche Mariä
Himmelfahrt getauft, gehörte er der römisch-katholischen Kirche an. Seine Taufpaten waren
Antonius Disch und Elisabeth Disch. Beide Herkunftsfamilien waren nachweislich
seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Rees und Umgebung ansässig. Die Familie Disch gehörte
bereits damals zu den wohlhabenden Bürgern in Rees. Ihre Angehörigen waren als Fährpächter,
Schiffer, Fischer, Hoteliers, Schenkwirteund Kaufleute tätig. Die Awaters werden als Schenkwirt
und Ackerer erwähnt. Hubert Anton Disch wuchs imUmfeld von selbständig tätigen Gewerbe-
treibenden aus unterschiedlichen Branchen auf. Eine auf eigenes Risikobegründete
wirtschaftliche Existenz war ihm also von Kindheit an vertraut.
Sein Geburtsort war damals überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Als Folge des Wiener
Kongresses wurdeRees 1816 Kreisstadt im neu gegründeten Kreis Rees (heute Kreis Wesel)
Über Landwirtschaft und Handel hinausgehende wirtschaftliche Aktivitäten begannen hier um
1825 mit der Herstellung von Käse nachholländischem Vorbild. Bald darauf wurden eine erste
Brennerei für Dachziegel (1833) und eine Tabakfabrik (1838) errichtet.     
    Eine eigene Familie begründete Disch durch
die Ehe mit Anna Maria (1832 — 1901), Tochter des Kaufmanns Joh. Michael Krebs aus
Mainz (1804 — 1866). Sie heirateten am 21. April 1852. Im selben Jahr erwarb Hubert
Anton Disch das Bürgerrecht der Stadt Mainz. Das Ehepaar Disch hatte 14 Kinder, die
in den Jahren 1853 bis 1875 geboren wurden.     

Berufliche Entwicklung und Schritt in die Selbständigkeit
Disch erlernte den Beruf des Flussschiffers. Später qualifizierte er sich zum Dampf-
schiffskapitän. Mehr als18 Jahre war er bei der „Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den
Nieder- und Mittelrhein", Düsseldorf, beschäftigt; von 1847 bis 1855 als Kapitän.    
In der Binnenschifffahrt fanden damals bahnbrechende Entwicklungen statt. Mit
Dampfmaschinenangetriebene Schiffe setzten sich durch und erste Dampfschiffe
erreichten Köln (1824), Mainz (1825),Straßburg (1825) und Basel (1832). Mathias
Stinnes führte Anfang der 1840er Jahre die Schleppschifffahrt ein, wodurch mehrere
hölzerne Kähne von einem Radschleppdampfer gezogen werden konnten. Etwa
gleichzeitig entstanden Reedereien in den Niederlanden (1823), Karlsruhe (1825),
Mainz (1825), Köln (1826) und Düsseldorf (1836).
1855 machte Disch sich selbständig und begründete ein Handelsgeschäft Kohlen in
Kostheim am Main, in der Nähe von Mainz.
Aufgrund seiner bisherigen Laufbahn wies er die zur erfolgreichen Unternehmens-
gründung erforderlichen persönlichen Qualifikationen auf. Im Alter von 34 Jahren
verfügte er über hinreichende einschlägige Erfahrungen.Sein technisches Fachwissen
im Einsatz von Dampfmaschinen befand sich auf höchstem Niveau. Er beherrschte
damit die neueste Technologie seiner Zeit. Hinzu kam die Expertise in der Schifffahrt.   
           
Mit zuerst zwei hölzernen Schiffen brachte er Kohlen aus dem Ruhrgebiet nach Kostheim.
Dort wurden sie auf kleinere Mainschiffe umgeladen und mainaufwärts bis nach Bayern transportiert.

Der erfolgreiche Unternehmer
Durch zwei bahnbrechende Innovationen revolutionierte Disch die Binnenschifffahrt. Als einer der ersten
ließ er Ende der 1860er Jahre Kähne aus Eisen bauen. Sie verfügten über eine etwa vierfache
Ladefähigkeit im Vergleich zu ihren aus Holz gebauten Vorgängern und waren wesentlich stabiler.
Innerhalb kurzer Zeitverdrängten sie die Holzschiffe vom Rhein. Während die auf dem Rhein
eingesetzten Dampfschiffe bis dahin vornehmlich in den Niederlanden, Großbritannien oder der Schweiz
gebaut wurden, vergab Dischseine Aufträge an deutsche Werften. Sie erhielten damit ein
Auftragsvolumen, das ihnen den Umstieg vom Holzschiffbau auf den von eisernen Schiffen erleichterte.
So lieferte die 1871 gegründete Ruthof-Werft in Mainz-Kastel im Jahr 1890 ein Rheinschiff
(Baunummer 67) mit 210Tonnen Tragfähigkeit an Disch aus. Weitere folgten in den nächsten Jahren.
      Anfang der 1870er Jahre vergrößerte der Unternehmer sein Vermögen durch günstige Einkäufe von
Kohle. Dabei half ihm die günstige konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Das damalige
Wirtschaftswachstum lag im längerfristigen Mittel bei etwa drei Prozent im Jahr. Weiterhin führte
die zunehmende Verwendung von Gas für Zwecke der Stadtbeleuchtung zu einem steigenden Verbrauch
von Steinkohle.
Disch verfolgte die technischen Entwicklungen aufmerksam. Hierin liegt ein weiteres Merkmal für
erfolgreiches unternehmerisches Handeln. So setzte er frühzeitig auf die Überlegenheit des
Antriebs vonSchiffen durch die Schraube statt durch Schaufelräder. Gegen den Widerspruch der
Fachwelt ließ er dreigrößere Schraubenschleppdampfer bauen. Sie erwiesen sich als kostengünstiger
als die bis dahineingesetzten Radschlepper. Von ihrer Bauart her waren sie kleiner, kamen mit einer
geringeren Besatzung aus und verbrauchten weniger Brennstoff. Bei weiter steigendem Geschäftsumfang
begründete Disch Zweigniederlassungen in Duisburg und Mannheim. Eine Flotte eigener
Schiffe befuhr den Rhein und seineNebenflüsse. Ein völlig neues Geschäftsfeld erschloss Hubert Anton
Disch im Jahr 1885 mit derErrichtung einer Fabrik zur Herstellung von Zellulose in Kostheim am Main,
nahe der Einmündung in den Rhein. Die dazu gegründete Kostheimer Cellulose Aktiengesellschaft
Kostheim am Main verfügte über ein Gründungskapital von 400.000 Mark. Die Leitung des Unternehmens
übernahm zunächst sein Sohn Philipp Hubert Disch (1863 — 1902). Bereits 1892 wurde die Produktion
von Papier aufgenommen. Das Unternehmen entwickelte sich gut und wurde mit 550 Mitarbeitern (1913)
zum größten Arbeitgeber in Kostheim. In einer turbulenten Geschichte mit Gesellschafterwechseln,
Insolvenz, Sanierung und Fusionen ging die von Hubert Anton Disch gegründete Gesellschaft im
schwedischen Essity Konzern auf. Derzeit stellt die Essity Operations Mainz-Kostheim GmbH,
unter Nutzung desursprünglichen Geländes der Kostheimer Zellulosefabrik AG, Papierhand- und
Wischtücher für gewerbliche Anwender her.
Ebenfalls im Jahr 1885 übernahm Disch nach Eröffnung der Straßenbrücke zwischen Mainz und
Kastel (heutige Theodor-Heuss-Brücke) den bis dahin zwischen beiden Orten staatlich betriebenen
Fährverkehr. Nach dem Erwerb eines Kohlebergwerks brachte Disch seine Unternehmen aus Reederei
und Handel 1887 in die Aktiengesellschaft für Handel und Schifffahrt H. A, Disch mit Sitz in Mainz ein.
Hierdurch scheint er bereits eine Art Nachfolgeregelung getroffen zu haben, um den Fortbestand
seines Lebenswerks abzusichern. Disch fungierte bis zu seinem Lebensende als Präsident des
Aufsichtsrats. Führungsaufgaben übernahmen als Mitglieder des Vorstands sein ältester Sohn Johann
Michael Hubert in Duisburg und sein Schwiegersohn Peter Melchers in Mainz. Die Firma wurde nach
seinem Tod von der Witwe fortgeführt und später liquidiert.

Öffentliche Anerkennung und Erinnerung
Auch sozial- und berufspolitisch engagierte der Unternehmer sich und ist für das Jahr 1889 im Amt
eines Beisitzers in der Westdeutschen Binnenschifffahrts-Berufsgenossenschaft nachweisbar.
Berufsgenossenschaften wurden in Deutschland ab 1885 gegründet. Sie hatten die
Unfallversicherung ihrer Mitglieder zur Aufgabe. In Schifffahrts- und Hafenangelegenheiten
schätzten die Behörden seinen Rat. Aufgrund seiner zahlreichen Verdienste, insbesondere für die
Entwicklung des Mainzer Handels, wurde Hubert Anton Disch am 12. September 1885 durch
den Großherzog von Hessen der Titel des Kommerzienrats verliehen.
Disch starb nach kurzer Krankheit am 6. Dezember 1891 in Mainz. Ein in einer Mainzer
Tageszeitung erschienener Nachruf hebt seinen unermüdlichen Arbeitseinsatz, das
menschenfreundliche Wesen und die Hilfsbereitschaft gegenüber Armen hervor.
Das eindrucksvolle Grabmal der Familien Disch und Krebs befindet sich auf dem Mainzer Hauptfriedhof.
Als Persönlichkeit weist Disch unterschiedliche Facetten auf: Im Vordergrund steht sicher der erfolgreiche
Unternehmer, daneben besaß er auch ausgeprägte soziale Züge. Seinen Sachverstand stellte er der
Allgemeinheit in beratenden Tätigkeiten zur Verfügung, sozialpolitisches Engagement und Armenfürsorge
treten hinzu. Familiensinn bewies er, in dem Söhne und ein Schwiegersohn leitende Funktionen in seinen
Unternehmen ausübten.


Literatur und Quelle
Düffel, Jakob mit einem Nachtrag von Terlinden, Hermann: Bilder aus der Vergangenheit der Stadt und Festung Rees, Rees 1972.
Hummel, Armin: Die Ruthof-Werft Mainz-Kastel und Regensburg 1871 — 1975, 2018.
Frenz, Willi: Die Kostheimer Cellulosefabrik, Eigendruck 2000.
Frenz, Willi: Die Industrialisierung Kostheims, 2003.
Lerner, Franz: Disch, Hubert Anton in: Neue Deutsche Biografie 3 (1957), S. 743.
Mainzer Tagblatt, Nr. 333 vom 8.12.1891, 2. Blatt.
Mainzer Anzeiger, Nr. 287 vom 8.12.1891, 2. Blatt.
                                                                                                                                                                                     
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